Hund entlaufen: was kann ich tun?
Ist der Hund entlaufen, läuten erstmal alle Alarmglocken beim Hundebesitzer. Was ist nun zu tun? Unsere Autorin Melanie Roloff erzählt uns ihre ganz persönliche Geschichte und gibt Tipps für den Fall der Fälle.
Es war der Samstag vor Weihnachten und wir befanden uns auf dem Weg, um unsere Pflegehündin Calindra in Empfang zu nehmen. Die Süße brauchte kurzfristig ein neues Zuhause und war erst 6 Wochen zuvor aus Rumänien nach Deutschland gekommen. Daheim war alles vorbereitet und es dauerte nicht lange, bis sie in Anwesenheit unserer anderen beiden Hunde ihre erste Scheu verlor und sich sogar traute, uns aus der Hand zu fressen. Gegen Mitternacht beschlossen wir, dass der Tag aufregend genug war und wir alle fürs erste eine Mütze Schlaf gebrauchen könnten. Wie konnten wir ahnen, dass uns das nicht vergönnt sein würde.
Dunkler Garten und fehlende Doppelsicherung
Wir leinten die Hündin am Halsband an, um sie in unseren Garten zu führen, damit sie sich vor dem Schlafen noch einmal lösen konnte. Das klappte auch gut. Auf dem Weg zurück ins Haus raschelte etwas im Gebüsch. Was dann passierte, war so unverhofft und ging so schnell, dass wir gar nicht wussten wie uns geschah. Calindra, erschreckt von dem Geräusch, machte einen Satz nach hinten und zog ihren Kopf blitzschnell aus dem Halsband, von dem wir dachten, wir hätten es eng genug eingestellt.
Zunächst blieben mein Mann und ich einfach stehen. Uns war bewusst, dass ein Hund, der gerade erst bei uns eingezogen war, und dem alles fremd war, möglicherweise Angst hatte. Vor der ungewohnten Umgebung, den ungewohnten Gerüchen oder den Lichtreflexen der Strassenlaternen. Aber richtig Sorgen machten wir uns nicht, denn unser Grundstück ist hundesicher, überall eingezäunt. Calindra lief in den Garten, wo wir sie bald in der Dunkelheit nur noch schemenhaft erkennen konnten. Sie kam zu uns zurück, und als ich dachte, super, da ist sie wieder, ging ich ein paar Schritte auf sie zu, um ihr das Halsband wieder umzulegen. Ein Fehler wie sich herausstellte, denn sie wich vor mir zurück und suchte erneut Schutz in der Dunkelheit des Gartens. Wieder warteten wir geduldig. Als sie nach einer Minute nicht zurückkam, lief ich hinterher und erblickte sie, wie sie die Grundstücksgrenzen ablief, als suchte sie nach einem Ausgang.
“Sie sucht einen Weg, um nach draußen zu kommen”, rief ich meinem Mann zu. Der blieb ganz gelassen. “Lass sie doch, wie soll sie hier rauskommen?”
Ich wünschte, er hätte Recht behalten, aber so war es nicht. Ein Rascheln in einer Ecke war das Letzte was ich hörte, bevor mich die unangenehme Stille des Gartens umfing. Wie sich herausstellte, waren 1.20m Zaun nicht hoch genug für die relativ kleine Hündin. An welcher Stelle sie darüber gesprungen ist, haben wir nicht gesehen, aber sie war weg. Und kam nicht wieder.
Der Hund kommt nicht zurück
Es war mittlerweile 1 Uhr morgens. Stockdunkel und bitterkalt. Das Thermometer zeigte minus 13 Grad. Als die Realität einsickerte, dass Calindra unserem Grundstück irgendwie entkommen war, geriet ich in totale Panik. Ich bewaffnete mich mit einer Taschenlampe, mein Mann ebenfalls und wir suchten zunächst jeden Winkel unseres Gartens ab. Auf dem Rasen lag noch Schnee, aber die Spuren darin waren so wild durcheinander, dass wir nicht ausmachen konnten, in welche Richtung sie gelaufen war. Wir riefen ihren Namen, erst leise und lockend, dann etwas lauter und aufgeregter.
Mein Mann machte sich auf den Weg und durchstreifte unser Wohnviertel, schlich unbefugt durch fremde Gärten und checkte offene Garagen ab. Ich hielt daheim die Stellung, wanderte immer wieder über unser Grundstück und zurück zur Straße und rief nach Calindra. Um 5.30 Uhr gaben wir steif gefroren und völlig übermüdet auf. Angst und Verzweiflung begleiteten mich in einen unruhigen und kurzen Schlaf, ebenso schlimme Selbstvorwürfe.
Warum hatte ich nicht besser aufgepasst? Warum hatte ich kein zusätzliches Sicherheitsgeschirr angezogen?
Als ich aufwachte, fühlte ich mich, als wäre ich verprügelt worden. Übernächtigt und innerlich aufgewühlt. Erst zu diesem Zeitpunkt kam mir der Gedanke: Wie soll ich das der Tierschutzorganisation erklären?
Sie hatten mir ein Lebewesen anvertraut und nun war mir der Hund entlaufen. Ich war fest davon überzeugt, dass Calindra die Nacht nicht überlebt hatte. Sie war zierlich mit kurzem Fell und wenig Unterwolle. Niemals konnte sie die strengen Minusgrade ausgehalten haben. Ich sah ständig ihr Bild vor meinem geistigen Auge. Die süße Hündin, gerade mal 1 Jahr alt, die endlich ein besseres Leben haben sollte und stattdessen geradewegs in ihr Verderben lief. Ich stellte mir vor, wie sie irgendwo im Gebüsch lag, total verängstigt und erschöpft, und schließlich erfror. Ich hatte eine Hundeleben auf dem Gewissen und fühlte mich elend. Hätte ich geahnt, was Hunde alles aushalten können und wie schlau sie in Notsituationen sind, wäre ich etwas entspannter gewesen und hätte weniger Zeit mit Selbstvorwürfen verschwendet.
Notwendige erste Schritte, wenn der Hund entlaufen ist
Ohne viel Hoffnung im Gepäck schritten wir dennoch gleich nach dem Aufstehen zur Tat. Wollten jede noch so kleine Chance nutzen, Calindra wiederzufinden. Das waren unsere nächsten Schritte und sind unsere wichtigsten Tipps, wenn ein Hund entlaufen ist:
- Vermisstenanzeige bei der Polizei aufgeben
- Das örtliche Tierheim informieren
- Suchmeldung bei Tasso online stellen (Sie war bereits auf unseren Namen dort registriert)
- Sämtliche soziale Netzwerke und Messenger ausnutzen und die Nachricht verbreiten.
- Flyer ausdrucken und in der Umgebung verteilen
- das Gartentor offenlassen, ebenso einen Schuppen mit alten Decken und gutriechendem Futter, damit sie dort Unterschlupf findet, falls sie zurückkommt und wir es nicht sofort bemerken. Das Futter tauschte Ich alle 2 Stunden aus, da es immer noch -10 Grad hatte, ebenso das Wasser.
Die Resonanz aus der Umgebung berührte uns zutiefst. Mit der Flut von Anrufen hatten wir nicht gerechnet, aber es zeigte auch, wie wichtig es ist, die direkte Umgebung zu informieren, und zwar über alle Kanäle, die möglich sind. Wir erfuhren schnell, dass Calindra lebt. Sie wurde von vielen Menschen gesehen, aber niemand schaffte es, sie einzufangen oder auch nur in ihre Nähe zu kommen, so scheu und verängstigt war sie. Es sollte noch ganze sechs Tage dauern, bis Calindra zu uns zurückkam. Sechs lange Tage und Nächte des Wartens und Bangens, denn unsere entlaufene Hündin wurde bevorzugt an stark befahren Straßen und Bahnschienen gesichtet. Wir beteten jeden Tag, dass sie es weiterhin schaffte, nicht überfahren zu werden.
Strategisch vorgehen
Bereits am zweiten Tag unserer Suche meldete sich eine Frau der Organisation “Hundesuche Team Franken” bei mir. Ich hatte auch dort eine Nachricht hinterlassen und um Hilfe gebeten. Das erwies sich als die beste Idee und brachte eine positive Wende mit sich. Die beiden Frauen, die sich unseres Falles annahmen, verstanden ihren Job. Sie griffen uns nicht nur mit ihrem Wissen unter die Arme, sondern waren auch emotional eine echte Stütze. Ihnen und allen, die uns angerufen und eine Sichtung gemeldet hatten, verdankten wir es, dass wir unsere Pflegehündin wieder in die Arme schließen durften.
Die richtige und strategischen Vorgehensweise führte dazu, dass die Geschichte für uns gut ausgegangen ist. Calindra ist jetzt seit 4 Wochen bei uns. Sie ist kein Pflegehund mehr. Wir haben sie adoptiert! So wie unsere gemeinsame Geschichte angefangen hat, war sie dazu bestimmt, zu uns zu gehören, dessen waren sich alle sicher. Einen knappen Monat nach dem Vorfall ist sie kaum wiederzukennen. Sie fasst jeden Tag ein Stück mehr Vertrauen und bereichert unser Rudel in jeder Hinsicht.
Melanie Roloff ist dreifache Mutter, Ehefrau und Tierbesitzerin. Als leidenschaftliche Yogalehrerin und Hobbyautorin inspiriert sie Menschen mit ihren Geschichten. Gemeinsam mit ihrer Familie und ihren zwei Hunden Phaléne Lilly und Chihuahua Sammy, lebt sie in Bayern.