Ist Katzenhaltung einfacher als Hundehaltung?
Fragt man Menschen danach, was typisch Katze ist, so hört man als Antwort häufig folgende Punkte: Katzen sind unabhängig und machen ihr eigenes Ding. Katzen laufen deshalb ganz prima einfach mit. Sie haben kein Problem damit allein zu sein. Sie passen also gut in Haushalte mit Erwerbstätigen.
Bei der Abwägung zwischen Katze und Hund kommt dann noch hinzu: Mit der Katze muss ich nicht dreimal am Tag raus zum Gassigehen. Sie kann alleine bleiben, wenn wir in den Urlaub fahren. Und wir müssen weder Zeit noch Geld in Training investieren – denn Katzen sind ja sowieso nicht erziehbar. – Wirklich nicht? Nicht nur der letzte Satz verdient eine kritische Überprüfung. Falls du gerade ähnliche Überlegungen anstellst, dann lies deshalb bitte unbedingt weiter.
Die unabhängige Katze!
Katzen können wirklich durchaus unabhängig sein. Sie sind hervorragende Jäger und können sich in einer geeigneten Umgebung zumindest während der Sommermonate sogar selbst versorgen. Aber hast du mal überlegt, wann das Bild der unabhängigen Katze, die sich selbst genügt, entstanden ist? Das war zu Zeiten, als Katzen nicht im Haus gelebt haben, sondern in der Regel an Bauernhäusern, in deren Scheunen es vor potenzieller Jagdbeute nur so wimmelte.
Diese Katzen waren also für ihren Lebenserhalt in großem Maße unabhängig von ihren Menschen. Nicht selten waren sie auch schlecht sozialisiert. Es fehlte das freundliche Handling durch Menschen in den ersten Lebenswochen, die die Kätzchen irgendwo in einem versteckten Nest verbracht haben. Folglich hatten viele dieser Katzen kein Vertrauen zu Menschen und haben deshalb natürlich auch keinen gesteigerten Wert auf deren Gesellschaft gelegt. Und auch für die vertrauensvolleren Katzen galt: Wer einen Großteil seiner wachen Zeit damit beschäftigt ist, sich mit Nahrung zu versorgen, der hat, wenn er den Weg ins Haus schafft, oft nur noch ein Ziel, nämlich Schlafen! Die Katze, die also von draußen hereinspaziert kommt und direkt am nächsten Schlafplatz niedersinkt, wirkt tatsächlich nicht sehr interessiert an Interaktion mit dem Menschen.
Die unabhängige Katze???
Auch heute gibt es natürlich noch Katzen, die diese Art von Leben führen, aber für viele sieht die Realität ganz anders aus. Das häufig genutzte Klischee der unabhängigen Katze kann deshalb nur schwerlich auf die meisten modernen Wohnungskatzen angewendet werden. Um es ohne Umschweife zu sagen: Deine Wohnungskatze ist arbeitslos, da sie ihrer natürlichen Hauptbeschäftigung, der Jagd, nicht nachgehen kann. Und sie ist komplett abhängig von dir und ihren anderen Menschen, was die Befriedigung ihrer Bedürfnisse angeht. Sie ist darauf angewiesen, dass sie immer rechtzeitig gefüttert und umfänglich beschäftigt wird.
Katzenwünsche
Da die Welt einer Wohnungskatze sehr klein ist und viele Katzen glücklicherweise heutzutage zumindest einigermaßen gut sozialisiert sind, bildet der eigene Mensch für die meisten Wohnungskatzen das Zentrum ihres Universums. Das heißt nicht gleich, dass sie 24 Stunden am Tag mit ihm zusammen sein müssen. Aber es heißt, dass Katzen häufig starke Bedürfnisse nach Interaktionen mit ihrem Menschen entwickeln.
Was ist es, was eine Katze sich oft von dir wünschen wird? Liebt sie stundenlangen Körperkontakt? Spielt sie gerne mit dir gemeinsam Verstecken? Belauert sie am liebsten ausgiebig aus einem Versteck heraus die Beute an einer Spielangel, die du geduldig für sie bewegst? Ist sie eine begeisterte Pfotenfummlerin und braucht dich, um die „Futterbeute“ in entsprechenden Futterpuzzeln anzubieten? Ist sie begeistert, wenn du ihren Lebensraum immer wieder neu spannend machst und ihr die Möglichkeit bietest, auf Erkundungstour zu gehen? Viele Katzen würde dazu sagen: „Ich wünsche mir das alles! Jeden Tag!“
Mensch-Katze-Zeit
Katzen sind verblüffend anpassungsfähig. Aber richtig gedeihen und aufblühen tun sie nur unter guten Lebensbedingungen. Für Menschen, die ganztags arbeiten gehen und dann vielleicht noch abends zum Sport gehen oder Freunde treffen möchten, bleibt wenig Zeit, um sich wirklich aktiv mit ihrer Katze zu beschäftigen. Und das ist es, was eine Katze von dir braucht: Deine volle Aufmerksamkeit und echte Interaktion. Und oftmals sind wir Menschen zwar bereit, ganz innig kuschelnd mit der Katze aufs Sofa zu sinken, aber die ist putzmunter. Denn sie hat den ganzen langen Tag geschlafen und freut sich nun auf gesellige Action.
Rechne mal aus, wie viele Stunden pro Tag du deiner Katze wirklich regelmäßig zur Verfügung stellen könntest. Die Bedürfnisse von Katzen sind durchaus unterschiedlich, aber eine Stunde gemeinsames Spiel, eine Stunde gemeinsames Herumtüteln wie z.B. Geschenke einpacken und mehrere Stunden gemeinsames Ruhen oder Kuscheln sind als einzuplanender Zeitrahmen nicht besonders hoch gegriffen. Im Vergleich zum Gassi gehen mit dem Hund ist die Zeiteinsparung also zu vernachlässigen.
Was ist mit Training?
Vieles läuft mit Katzen wirklich fast automatisch. Dennoch profitieren insbesondere Wohnungskatzen davon, wenn ihre Menschen mit ihnen ein wenig trainieren. Wenn deine Katze etwa Ängste entwickelt, was recht häufig vorkommt, dann solltest du ihr helfen, diese Ängste zu überwinden. Dafür brauchst du dann womöglich sogar professionelle Unterstützung. Wahrscheinlich musst du auch lernen, wie du einer Katze ohne Wasserspritze und laute Worte ein paar Benimmregeln beibringen kannst, z.B. das Sitzen auf einem Katzenhocker statt auf dem gedeckten Tisch oder das Kratzen am dafür vorgesehenen Kratzbaum. Gerade Wohnungskatzen lassen sich oft kreativen Unfug einfallen, wenn sie unausgelastet sind, und dem sollte man dann mit konstruktivem Training begegnen. Tricktraining schließlich ist für Katzen eine wundervolle Beschäftigung. Je nach Talent der Katze, kann man den Fokus auf Bewegungsübungen oder Denksport legen. Wenn du also auf Training keine rechte Lust hast, solltest du über die Anschaffung einer Katze noch einmal nachdenken.
Alleinsein kein Problem?
Wenn man sich klar macht, wie wichtig ihre Bezugspersonen für eine Katze sind, dann ist auch schnell klar, dass Katzenhaltung die eigene Urlaubsplanung stark einschränkt. Auch wenn zwei- bis dreimal täglich jemand kommt, um die Katze zu füttern und mit ihr zu spielen, sollte die Abwesenheit der geliebten Menschen nicht länger als sieben bis maximal vierzehn Tage dauern. Denn für die Katze heißt diese Zeit: Sie ist viel allein, alle ihre gewohnten Rituale fallen weg, und dabei versteht sie noch nicht einmal, warum ihre Menschen plötzlich einfach nicht mehr zur Tür hereinkommen. Das ist für viele Katzen frustrierend bzw. verunsichernd oder sogar ängstigend.
Ausblick
„Ich nehme einfach zwei Katzen. Dann haben die ja einander …“
So einfach ist es leider nicht. Natürlich profitieren Katzen davon, wenn sie mit einer passenden Partnerkatze eine tolle Katzenfreundschaft pflegen können mit gemeinsamem Spiel und Kuscheln. Aber die Beziehung zu anderen Katzen löst das Problem der fehlenden Jagdmöglichkeiten nicht. Und wie wir Menschen können auch Katzen mehrere enge Bindungen eingehen. Zu einem richtig guten Tag gehört deshalb neben dem Spaß mit dem Katzenkumpel eben auch immer das schöne Zusammensein mit dem geliebten Menschen. Wenn du denkst, du hast nicht genug Zeit, dich gut um einen Hund zu kümmern, dann denke bitte noch einmal gut darüber nach, ob du einer Katze gerecht werden könntest. Vielleicht kommt noch einmal ein besserer Zeitpunkt dafür?
Christine Hauschild lebt mit ihrem Kater in Hamburg. Sie betreibt dort seit über 10 Jahren die Katzenschule Happy Miez und berät Halter in allen Fragen rund um das (Problem-)Verhalten ihrer Katzen. Zusätzlich zu ihrer Arbeit als Katzenverhaltensberaterin bietet sie Seminare und Fortbildungen an. Außerdem ist sie Verfasserin mehrerer Katzenratgeber.