Hundeerziehung: wichtig für Mensch und Hund
Sie zählen zu Deutschlands bekanntesten Hundefachleuten und haben 1994 Ihre Hunde-Akademie gegründet. Was zeichnet Ihre Akademie aus und worin liegen die Schwerpunkte Ihrer Arbeit?
Perdita Lübbe-Scheuermann: Wir sind seit mehr als 20 Jahren erfolgreich „auf dem Markt“. Mittlerweile besteht die Hunde-Akademie aus einem großen Team. Unser Schwerpunkt ist die Familienhundeeziehung – vom Welpen bis zum Senior. Bevorzugt bieten wir Einzelunterricht an. Aus diesem wiederum resultieren Gruppenkurse aller Art für jedermann und jederhund. Mein Steckenpferd sind Seminare für „Endverbraucher“ und Hundetrainer – von Körpersprache über Charaktereinschätzung bis hin zu Mehrhundehaltung und Apportieren als sinnvolle Beschäftigung. Aggressionsseminare und der Berater Mensch-Hund (BMH)-Lehrgang sind die jährlichen Highlights der Hunde-Akademie Perdita Lübbe.
Wie sind Sie Hundetrainerin geworden und woher haben Sie dieses breite Fachwissen rund um Hundeerziehung und -training?
Perdita Lübbe-Scheuermann: Ich meine, es lag mir im Blut. Ich bin mit Hunden aufgewachsen, hatte einige hervorragende Lehrer (Dr. Dorit Feddersen-Petersen, Heinz Gail vom Deutschen Retriever Club, Günther Bloch) in einer Zeit, in der es kaum Hundeschulen und -trainer gab. Ich liebe die praktische Arbeit und lerne noch immer täglich dazu.
Mit welchen „Problemen“ kommen Halter und ihre Hunde besonders häufig zu Ihnen in die Akademie?
Perdita Lübbe-Scheuermann: Die wichtigsten Themen sind: Leinenführigkeit – oftmals verbunden mit „Pöbeln“ bei Begegnungen, jagen, alleine bleiben, „Neins“ nicht akzeptieren und neuerdings immer mehr Aggressionen – schon im Welpenalter.
Glauben Sie, dass generell alle Hunde erziehbar sind? Kann selbst „alten Hasen“ negatives Verhalten abtrainiert werden?
Perdita Lübbe-Scheuermann: Ich glaube nicht, dass man „aberziehen“ kann. Ich denke eher an ein „Ändern“. Für mich gilt, dass der „Mensch den Hund macht“. Da ist Charakter, da sind Basics – an denen rühre ich nur wenig. Ich kann es in einen Rahmen bringen. Das glaube ich schon.
Wie sieht eine typische Trainings-/Erziehungseinheit in Ihrer Akademie aus?
Perdita Lübbe-Scheuermann: Das ist schwierig zu beschreiben, weil das Training doch sehr individuell ist. Wir beginnen mit einer Bestandsaufnahme (Charaktereinschätzung), um uns ein Bild zu machen. Dann führen wir ein Gespräch mit dem Kunden, wohin die Reise gehen soll und was Mensch für seinen Hund sein möchte. Dann beginnen wir mit ersten Trainingsschritten. Uns ist dabei wichtig, dass der Hund an seinen Menschen glaubt, ihm vertraut, sich an ihm orientiert. (Korrektes) Sitz, Platz, Hier etc. wird bei uns eher vernachlässigt. Unsere Kunden wollen lernen, das Ausdrucksverhalten ihrer Hunde zu lesen und sie richtig zu loben.
„Für ein harmonisches Miteinander von Mensch und Hund“ lautet das Motto, das bei Ihrer Arbeit im Fokus steht. Wie sieht für Sie ein harmonisches Miteinander von Mensch und Hund aus?
Perdita Lübbe-Scheuermann: Zuhören, wohlwollend sein, Spaß haben, respektvoll sein, spielen, Orientierung bieten, Versöhnlichkeit, Verhalten nicht persönlich nehmen, offen sein …
Können Sie drei Grundregeln nennen, die am wichtigsten bei der Hundeerziehung sind?
Perdita Lübbe-Scheuermann: Respekt, Wohlwollen, Klarheit / Fairness / Gesichtswahrung … drei reichen nicht, auch keine sechs 🙂
Was machen Ihrer Meinung nach viele Hundehalter bei der Erziehung Ihres Vierbeiners falsch?
Perdita Lübbe-Scheuermann: Sie machen Prinzen aus ihren Welpen, bzw. neu angeschafften Vierbeinern, bis es nervt, weil Hund nun das Zepter in der Pfote hält. Dann ist das Geschrei groß. Und ich kann es so verstehen. Ich habe einen Prinzen. Allerdings weiß er, wenn es drauf ankommt, dass ich es genauso meine.
Hatten Sie schon einmal mit einem „Problemhund“ zu tun, bei dem – auf gut Deutsch gesagt – Hopfen und Malz verloren war?
Perdita Lübbe-Scheuermann: Ja, in der Vergangenheit – mit weniger Wissen. Das Problem ist, dass man diese Hunde nicht heilen kann und den passenden, rücksichtsvollen Besitzer dafür braucht. Eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe mit viel Gepäck auf den Schultern. Aber natürlich gibt es auch heute noch Hunde, die mich sehr fordern.
Und gab es ein besonders erfreuliches Beispiel in Ihrer Laufbahn, wo ein Problemhund zu einem wahren Musterhund wurde?
Perdita Lübbe-Scheuermann: Ja, davon gibt es einige. Weil Mensch und Hund einfach passten. Ich spreche hier von Hunden aus unserem Projekt Start ins – neue – Leben, aber es gibt ebenso genügend Beispiele mit Kunden, die mit ihren Hunden zu uns kamen. Nun ist die Frage: Was ist ein Musterhund? Keiner der Hunde wurde zum Lamm. Allerdings sind sie unauffällig, weil in den besten Händen. Beispielsweise Rottweilerdame „Asta“, die wir an einen über 70jährigen Herrn vermittelten. Die beiden sind jetzt 1,5 Jahre lang glücklich zusammen. Radeln, wandern etc. und der Hund fällt nicht negativ auf. Oder Makulu, der bissige Terriermischling, der in unserem „Start ins – neue – Leben“-Projekt landete. Er biss wie eine Natter. Nun wohnt er bei Silke, meiner Assistentin, und ist gut gelaunt und fröhlich.
Schau dir hier unser Video an, in dem Perdita Lübbe viele Fragen rund um Hundetraining und -erziehung der ZooRoyal Facebook-Community beantwortete.
Perdita Lübbe-Scheuermann betreibt seit 1994 die Hunde-Akademie in Griesheim bei Darmstadt. Sie ist durch die Tierärztekammer Schleswig-Holstein zertifizierte Hundetrainerin und Mitglied des Prüfungsausschusses „Tierpfleger/innen“ der Industrie- und Handelskammer Gießen-Friedberg. Gemeinsam mit ihrem Team unterstützt sie Hundebesitzer mit viel Feingefühl und einer großen Portion Humor bei der Erziehung und im Umgang mit deren Vierbeinern nach dem Motto: „Für ein harmonisches Miteinander von Mensch und Hund“. Die Buchautorin schreibt für diverse Hundezeitschriften und ist regelmäßig im Fernsehn zu Gast. Neben zahlreichen Seminaren und Fortbildungen sowohl für Hundehalter als auch für Hundetrainer bietet sie als Beraterin und Coach tiergestütztes Coaching mit Pferden und Hunden an. Im August 2012 entwickelte sie mit ihrem Mann Ralf das Projekt „Rettet das Nashorn“, weil diese durch die Wilderei vor dem Aussterben bedroht sind. Im Januar 2015 entstand ihr zweites Projekt „Start ins – neue – Leben“ zur Resozialisierung von aggressiven Tierheimhunden. (Bildquelle: Debra Bardowicks)