Magendrehung beim Hund erkennen und behandeln
Die Magendrehung beim Hund ist ein lebensbedrohlicher Notfall, der vor allem bei großen Hunderassen mit tiefem Brustkorb auftreten kann. Dabei dreht sich der Magen um die eigene Achse, was zu einer Abschnürung der Blutgefäße und des Magen-Ein- und Ausgangs führt. In der Regel geht der Drehung eine Aufgasung des Magens voraus. Diese Situation kann innerhalb weniger Stunden zu einem Kreislaufschock und zum Tod führen. Wir klären dich über die Symptome auf, damit du im Verdachtsfall sofort handeln und einen Tierarzt aufsuchen kannst.
Was passiert bei einer Magendrehung?
Bei einer Magendrehung dreht sich der Magen des Hundes um die eigene Achse – meist mit dem Uhrzeigersinn. Dabei wird sowohl der Mageneingang (Cardia) als auch der Magenausgang (Pförtner, Pylorus) verschlossen. Zusätzlich zu dieser Drehung bläht sich der Magen stark auf. Der aufgeblähte Magen übt einen extremen Druck auf andere Organe aus. Dem betroffenen Tier fällt es oft schwer zu atmen, weil die Lunge nicht mehr genügend Platz hat, um sich auszudehnen.
Außerdem werden wichtige Gefäße stark abgedrückt, zum Beispiel die Hohlvene. Sie ist die größte Vene im Hundekörper. Wird sie mangelhaft durchblutet, kann es zu massiven Kreislaufproblemen und Organschäden kommen. Auch der Magen selbst wird nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt und droht abzusterben. Ohne einen schnellen chirurgischen Eingriff durch den Tierarzt verläuft eine Magendrehung innerhalb weniger Stunden tödlich.
Mögliche Ursachen
Die genauen Ursachen für eine Magendrehung beim Hund sind noch nicht vollständig geklärt. In der Regel sind sie komplex und multifaktoriell und können nicht immer eindeutig zugeordnet werden. Es gibt jedoch eine Reihe von Risikofaktoren, die eine Rolle spielen können:
- Rassendisposition:
Bestimmte Rassen, insbesondere große und riesige Hunderassen mit einem tiefen Brustkorb, sind häufiger betroffen. Dazu gehören beispielsweise Deutsche Doggen, Bernhardiner, Irische Wolfshunde, Dobermänner, Boxer, und Rottweiler. Auch Windhunde und Collies haben ein erhöhtes Risiko. Das Risiko steigt bei großen Rassen mit 2,3 % pro Jahr und bei Riesenrassen mit 2,6 % pro Jahr. - Körperbau:
Hunde mit einem hohen und schmalen Brustkorb scheinen anfälliger zu sein. Ein großes Thorax-Tiefen-Breiten-Verhältnis begünstigt das Auftreten einer Magendrehung. - Alter:
Ältere Hunde sind häufiger betroffen als junge Hunde. Bei riesigen Hunderassen steigt das Risiko bereits ab drei Jahren, bei großen Rassen ab ca. fünf Jahren. - Familiäre Veranlagung:
Hunde, deren Verwandte bereits eine Magendrehung hatten, haben ein erhöhtes Risiko. - Fressverhalten:
Ein schnelles Herunterschlingen großer Futtermengen, die Aufnahme von verdorbenem Futter oder eine einmalige große Futterration kann eine Rolle spielen. Auch das Schlucken von Luft beim Fressen kann dazu beitragen. - Fütterungsmanagement:
Die einmalige tägliche Fütterung kann das Risiko erhöhen, da ein stark gefüllter Magen zu einer Dehnung und reduzierten Magenmotilität führen kann. - Stress:
Stresssituationen wie Tierarztbesuche, Tierheimaufenthalte, Reisen oder Autofahrten können eine Magendrehung begünstigen. Auch ein ängstliches Temperament kann das Risiko erhöhen. - Vorerkrankungen:
Erkrankungen wie Milzvergrößerungen, Zwerchfellrisse oder Magenausgangsverengungen können ebenfalls eine Magendrehung begünstigen. Auch frühere Splenektomien (Milzentfernungen) können das Risiko erhöhen. - Bewegung nach dem Fressen:
Es gibt zwar keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen Bewegung nach dem Fressen und Magendrehungen. Trotzdem solltest du deinem Hund nach dem Fressen etwas Ruhe gönnen nicht ihn nicht wild spielen oder toben lassen.
Alle der genannten Faktoren können einzeln oder in Kombination das Risiko erhöhen. Beachte aber, dass auch Hunde ohne diese Risikofaktoren eine Magendrehung entwickeln können.
Welche Hunderassen sind anfällig?
Von einer Magendrehung sind vor allem mittelgroße bis große Hunde betroffen, die einen breiten Brustkorb haben. Durch den tiefsitzenden Brustkorb hat der Magen mehr Bewegungsspielraum und so eher die Möglichkeit sich zu drehen. Zu den betroffenen Rassen gehören:
- Deutsche Doggen
- Irische Setter
- Weimaraner
- Bernhardiner
- Königspudel
- Bloodhounds
- Rottweiler
- Dobermänner
- Boxer
- Windhunde
- Collies
- Irische Wolfshunde
- Neufundländer
- Akita
- Bordeaux Dogge
Symptome erkennen
Die Symptome einer Magendrehung treten sehr schnell auf und sorgen dafür, dass sich der Zustand des Hundes rasant und dramatisch verschlechtert. Charakteristische Symptome sind:
- Angespannter Bauch:
Der Bauch ist stark gespannt und aufgebläht (oft vor allem hinter dem Rippenbogen auf der rechten Seite). Zudem kann er sich hart und trommelartig anfühlen. - Würgereiz und Erbrechen:
Der Hund versucht wiederholt zu erbrechen, bringt aber meist nur Schaum hervor. Dies liegt daran, dass die Speiseröhre am Mageneingang durch die Drehung abgeschnürt ist. Wenn der Hund Wasser oder Futter aufnimmt, wird dies oft sofort wieder „erbrochen“. - Unruhe und Rastlosigkeit:
Der Hund ist unruhig, läuft hin und her und kann zwischen Gehen, Liegen und Stehen die Position ständig wechseln. Er kann einen gekrümmten Rücken haben und der Kopf hängt oft tief. - Starker Speichelfluss:
Der Hund produziert übermäßig viel Speichel und schluckt ungewöhnlich oft. - Blasse Schleimhäute:
Die Schleimhäute im Maul des Hundes können blass oder weißlich erscheinen, was auf einen Schockzustand hindeutet. - Schwäche und Apathie:
Mit fortschreitendem Krankheitsverlauf wird der Hund immer schwächer und apathischer. Er kann sich nicht mehr aufrichten und verbleibt in Seitenlage. - Schock:
Die Magendrehung führt zu einem Kreislaufschock, der sich durch einen schwachen, schnellen Puls, Hecheln und einen Zusammenbruch des Kreislaufs äußert.
Solltest du den Verdacht auf eine Magendrehung bei deinem Hund haben, musst du sofort handeln! Da es sich hierbei um einen lebensbedrohlichen Notfall handelt, ist sofortige tierärztliche Hilfe erforderlich.
Diagnose
Es ist entscheidend, dass bei Verdacht auf eine Magendrehung sofort ein Tierarzt aufgesucht wird, da die Überlebenschancen mit jeder Stunde sinken. Der Tierarzt wird deinen Hund gründlich untersuchen und dabei neben der körperlichen Untersuchung auch Röntgenaufnahmen anfertigen und wenn nötig auch das Blut untersuchen, um die Organfunktion beurteilen zu können.
Bei der körperlichen Untersuchung wird vor allem der Bauch abgetastet und abgeklopft, sowie der Puls und die Herzfrequenz überprüft, um Anzeichen für eine Magendrehung zu erkennen.
Es ist wichtig, die Magendrehung (Magen-Dilatation-Volvulus) von einer einfachen Magendilatation zu unterscheiden. Während es sich bei einer Magendilatation um ein akutes Aufblähen des Magens durch Futter oder Wasser handelt, ist der Magen bei der Magendrehung zusätzlich noch gedreht. Von außen, ist in beiden Fällen kein Unterschied zu erkennen.
Für eine eindeutige Diagnose und die richtige Behandlung, ist daher eine Röntgenaufnahme des Bauchraums entscheidend. Typischerweise zeigt die Aufnahme einen stark auf gegasten Magen, der in zwei Kompartimente unterteilt ist („Zipfelmützenform“).
Behandlung
Die Behandlung einer Magendrehung beim Hund umfasst drei wichtige Punkte und mehrere Schritte, die darauf abzielen, den Zustand des Hundes zu stabilisieren und die Drehung chirurgisch zu korrigieren.
1. Sofortmaßnahmen und Stabilisierung
- Kreislaufstabilisierung: Der Tierarzt wird deinem Hund intravenös (ber einen oder zwei Zugänge an den Vorderläufen ) Flüssigkeiten verabreichen, um den Kreislauf zu stabilisieren und seine Schmerzen zu lindern.
- Magendekompression: Zur Entlastung des Magens von Gasen und Flüssigkeiten kann eine Punktion nötig sein.
2. Chirurgische Behandlung
- Laparotomie: Für die Notoperation wird dein Hund unter Narkose gesetzt. Während der OP eröffnet der Tierarzt die Bauchhöhle und dreht den Magen deines Hundes manuell oder mit speziellen Geräten wieder in seine ursprüngliche Position zurück. Da sich der Magen meist im Uhrzeigersinn dreht, erfolgt die Drehung routinemäßig in die entgegengesetzte Richtung.
Zusätzlich kann der Tierarzt während der OP weitere Behandlungen durchführen, sofern sie nötig sind. Dazu gehören eine Magenentleerung und -spülung und die Entfernung von abgestorbenem Magengewebe und beschädigten Organen. - Gastropexie: Um eine erneute Drehung zu verhindern, wird der Magen anschließend fixiert. Es gibt verschiedene Techniken, wie die inzisionale Gastropexie, Belt-Loop-Technik oder zirkumkostale Gastropexie. Die inzisionale Gastropexie an der rechten Bauchwand ist eine gängige Methode. Ohne Fixierung beträgt die Rückfallquote rund 80 %.
3. Nachsorge und Überwachung
- Intensive Überwachung: Nach der Operation bleibt dein Hund einige Tage in der Tierklinik und wird intensiv überwacht.
- Fütterung: Am Tag nach der Operation wird mit der Fütterung begonnen, wobei kleine, häufige Mahlzeiten verabreicht werden.
- Entlassung: Sobald dein Hund stabil genug ist, kann er entlassen werden. Der Tierarzt wird mit dir die weitere Nachsorge besprechen und mit dir die zukünftige Fütterung besprechen.
Prognose
Die Prognose bei einer Magendrehung beim Hund ist schwierig einzuschätzen, da es sich um einen lebensbedrohlichen Notfall handelt. Es ist in jedem Fall wichtig so früh wie möglich mit einer adäquaten Behandlung zu beginnen. Eine schnelle Stabilisierung und sofortige Operation verbessern die Überlebenschancen deutlich.
Zu den wichtigsten Faktoren, die die Prognose beeinflussen, gehören:
- Allgemeinzustand des Hundes bei der Einlieferung:
Ein schlechter Allgemeinzustand bei der Einlieferung verschlechtert die Prognose. - Dauer bis zur Behandlung:
Eine späte Einlieferung (mehr als 6 Stunden nach Symptombeginn) verschlechtert die Prognose. Rasches Handeln ist überlebenswichtig. - Vorhandensein von Komplikationen:
Das Auftreten von Komplikationen wie Arrhythmien, Magenwandnekrosen, Peritonitis oder Sepsis verschlechtert die Prognose erheblich. Insbesondere Magenwandnekrosen, die eine partielle Gastrektomie erforderlich machen, erhöhen das Sterberisiko. - Laborwerte:
Erhöhte Serumlactatwerte (über 7,4 mmol/l) können auf Magenwandnekrosen hindeuten und die Überlebensrate deutlich senken. Werte über 9 mmol/l sind mit einer stark reduzierten Überlebensrate verbunden. - Herzrhythmusstörungen:
Das Auftreten von Arrhythmien verschlechtert die Prognose. - Notwendigkeit einer Splenektomie:
Muss die Milz entfernt werden, wirkt sich das ebenfalls negativ auf die Prognose aus. - Art des Eingriffs:
Wenn nur eine Gastropexie durchgeführt werden muss und die Magenwand vital aussieht, ist die Prognose gut.
Auch nach erfolgreicher Operation können Komplikationen wie Thrombenbildung auftreten, die bis zu 14 Tage postoperativ zum Tod führen können. Eine intensive Betreuung und Überwachung nach der OP sind daher unerlässlich, um Komplikationen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Die Sterberate bei Magendrehungen liegt zwischen 15 und 33 %. Bei Hunden ohne Magenwandnekrose liegt die Sterberate bei etwa 2 %, steigt jedoch bei Komplikationen wie Magenwandnekrose, Splenektomie, Peritonitis oder Sepsis.
Es gibt Hinweise darauf, dass Hunde, die bei der Vorstellung in der Tierklinik noch gehen konnten („ambulatory“), eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit haben als nicht-gehfähige Hunde. Niedrigere Lactatkonzentrationen im Blut bei der Vorstellung sind ebenfalls mit einer höheren Überlebensrate verbunden.
Vorbeugen (Prophylaxe)
Zur Vorbeugung einer Magendrehung beim Hund (Prophylaxe) werden folgende Maßnahmen empfohlen:
Fütterungsmanagement
- Mehrere kleine Mahlzeiten: Hunde aus Risikorassen sollten mindestens zweimal, besser dreimal täglich gefüttert werden, anstatt einer großen Mahlzeit. Auch viel Flüssigkeit auf einmal sollte vermieden werden.
- Futterpartikelgröße: Größere Futterbrocken (über 30 mm) können eine weniger hastige Futteraufnahme fördern, wodurch weniger Luft abgeschluckt wird.
- Vermeidung von hastigem Fressen: Spezielle Anti-Schling-Futternäpfe können Abhilfe schaffen.
Ruhepausen
- Stress vermeiden: Stress beim Hund kann eine Rolle bei der Entstehung einer Magendrehung spielen. „Glückliche“ Hunde scheinen weniger anfällig zu sein. Schau dir unbedingt unsere Tipps gegen Stress bei Hunden an!
- Ruhe nach dem Fressen: Hunde sollten sich nach der Fütterung nicht sofort bewegen oder spielen. Lange Spaziergänge sollten vermieden werden.
Prophylaktische Gastropexie
- Bei Risikorassen: Für Hunde mit hohem Lebenszeitrisiko, insbesondere bei Deutschen Doggen und Bloodhounds, kann eine präventive Gastropexie in Betracht gezogen werden. Dies gilt besonders, wenn ohnehin ein Routineeingriff wie eine Kastration geplant ist. Der operative Aufwand ist geringer als im Notfall.
- Nach überstandener Magendrehung: Bei Hunden, die bereits eine Magendrehung hatten, ist eine Gastropexie empfehlenswert, da das Risiko eines Rückfalls sonst sehr hoch ist. Ohne Gastropexie liegt die Rückfallquote bei etwa 80%.
Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen kann eine Magendrehung nicht immer verhindert werden. Vor allem wenn du eine Hunderasse mit erhöhtem Risiko hast, solltest du stets auf Symptome achten und im Notfall sofort einen Tierarzt aufsuchen.
Kristin Tebbe Die erfahrene Tierärztin ist spezialisiert auf Chirurgie, Kardiologie und Ultraschalldiagnostik und verfügt über die Zusatzqualifikation GPCert SAS (Kleintierchirurgie). Sie leitet die Medivet Tierarztpraxis in Wildau.
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Das ist wirklich eine schreckliche Erkrankung bzw. Situation. Der Hund meines Kumpels ein Rottweiler hatte exakt das und es war schrecklich mitzubekommen…