Wölfe und Menschen – soziale Strukturen

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Wölfe und Menschen

Das, wofür der Wolf steht – Stärke, Mut, Hingabe, Opferbereitschaft und Loyalität –, lebt auch in uns, wenn wir uns zurückbesinnen auf unsere Ur-Strukturen. Dabei kann es helfen, die Wölfe näher zu betrachten, um neu zu erfahren, was auch uns in die Wiege gelegt wurde.

Wir sind uns, glaube ich, alle einig darüber, dass Wölfe in den Köpfen von Menschen einen besonderen Stellenwert einnehmen. Doch warum ist das so? Sind Wölfe so faszinierend, weil sie einer ganz speziellen Spezies angehören? Nein, denn im Grunde ist am Wolf gar nichts besonders außergewöhnlich. Er ist ein Vorzeigeopportunist, wie auch unsere Hunde. Direkt nach uns Menschen beansprucht der Wolf den größten Lebensraum auf der Welt. Das ist seiner Anpassungsfähigkeit zu verdanken, die ihm erlaubt, sich überall auszubreiten. Sein einziger Anspruch ist, dass es genug Nahrung geben muss, und selbst dabei ist er nicht wählerisch. Gegessen wird, was auf den Tisch kommt, das ist seine Devise.

Zwischen uns und den Wölfen gibt es viele Gemeinsamkeiten. Die Kenntnis darüber kann für uns sehr aufschlussreich sein.

Das Wolfsrudel

Das Wort „Rudel“ löst in manchen ein negatives Empfinden aus. Durch die Geschichten, die über Wölfe verbreitet wurden und werden, hat das Wort Rudel ein schlechtes Image erhalten. Doch ein Wolfsrudel ist nichts anderes als ein Familienverband, komplex im Aufbau und bis ins Detail ausgereift. In ihm leben meist ein- bis zwei Generationen von Wölfen miteinander, in seltenen Fällen auch drei. Die Hauptaufgabe des Rudels ist die Aufzucht ihres Nachwuchses. Elli Radinger, Deutschlands renommierteste Wolfsexpertin, schreibt in ihrem Buch „Die Weisheit der Wölfe“, über etliche Beobachtungen von Wölfen in freier Wildbahn. Das Zusammenleben zwischen den erwachsenen Rudelmitgliedern und der Welpen beschreibt sie als spielerisch, harmonisch und liebevoll. Die Welpen werden nicht nur von ihren Eltern, sondern von der ganzen Familie gehegt und gepflegt. Im ersten Jahr jagen die Jungen noch nicht selbst. Geschlechtsreif sind sie mit etwa  zwei Jahren. Dann verlassen sie das Rudel und gründen eine eigene Familie. Bis zu dieser Zeit haben die Jungwölfe gelernt, sich selbst zu versorgen und sich innerhalb der gesteckten Grenzen zu entwickeln. Die Wolfsmethode in der Erziehung der Kleinen sieht vor, dass ihnen Raum gelassen wird, eigene Erfahrungen zu machen, um aus eventuellen Fehlern zu lernen, wenn auch unter dem Schutzmantel der Erwachsenen. Ein Jungwolf muss lernen, dass sein Handeln Konsequenzen hat, und auch, welche das sind, sonst wird er in der Wildnis später nicht überleben können. Die Elterntiere sind sich immer einig und bilden ein starkes Team, an dem sich die Jungen orientieren.

Auch alte und kranke Wölfe genießen besondere Aufmerksamkeit. Um sie wird sich gekümmert, keiner wird sich selbst überlassen. Dieser innere Zusammenhalt des Rudels ist überlebenswichtig in der Wildnis. Er ist der Schutzschild der Wölfe.

Ein Wolfsrudel besteht meist aus 6-10 Wölfen. Selten werden größere Rudel gesichtet. Denn je größer ein Rudel ist, desto instabiler wird es.

Fremdtiere werden nur in Ausnahmefällen ins Rudel aufgenommen, zum Beispiel, wenn deren Elterntiere tot sind.

Wolfscharakter

Wölfe sind intelligent, anpassungsfähig und hoch sozial. Ein Rudel setzt sich aus einzelnen Charakteren zusammen, die sehr individuell sein können. Aus diesen bildet sich aber auch eine Gruppenpersönlichkeit, so Elli Radinger, die bestimmt, ob ein Rudel eher freundlich oder ernst oder gar gefürchtet rüberkommt.

Innerhalb einer Wolfsfamilie können grob zwei charakterliche Grundtypen unterschieden werden:

Typ A: Der kühne, verwegene, wagemutige Wolf, der am liebsten ohne nachzudenken handelt, impulsiv und gesellig ist. Neue Situationen, die außerhalb seiner Kontrolle liegen, können ihn aber schnell überfordern und wenn er merkt, dass er etwas nicht geregelt bekommt, ist das Geheule groß. Dann braucht er Hilfe. Im Großen und Ganzen ist dieser Typ munter, aber auch herausfordernd.

Typ B: ist  im Vergleich zu A eher zurückhaltend, auch vorsichtig. Er handelt mit Bedacht und passt sich den äußeren Umständen leichter an. Er agiert hauptsächlich auf der „sicheren Seite“. Typ B ist der wohl überlegte, eher in sich ruhende Teil des Rudels, der im Hintergrund agiert.

Eine Wolfsfamilie besteht immer aus Tieren beider Charaktertypen. Die Leitwölfe sind meist eine Kombination aus beiden und ergänzen sich hervorragend.

Die Rangordnung ist bei Wölfen festgelegt. Entschieden wird sie durch die Leittiere. Diese Rangordnung muss nicht erkämpft oder bewiesen werden. Was Mama und Papa sagen, ist Gesetz! Generell gilt im Wolfsrudel an erster Stelle: Eltern entscheiden. Dann: Ältere, erfahrenere Wölfe entscheiden über jüngere. So kennt jeder seinen Platz, und kann ihn ausfüllen. Grenzen sind gesteckt und innerhalb dieser Grenzen darf sich das Rudelmitglied frei bewegen.

Ich fasse zusammen: ALLES dreht sich bei Wölfen um ihre Familie. Sicherheit, Stabilität, Hingabe und Opferbereitschaft. Für ihre Babys würden sie auf der Stelle sterben.

Wölfe und Menschen: wo wir uns darin wiederfinden

Fallen dir auch spontan viele Gemeinsamkeiten auf? Oder zumindest, wie es im Idealfall auch bei uns aussehen könnte? Wie wir unsere Babys beschützen, aufziehen und unser Leben für sie geben würden? Wie wir uns um die Omas und Opas kümmern. Oder es zumindest wollen. Die einzelnen Charaktertypen sind auch bei uns zu finden. Wenn wir akzeptieren, dass der Variantenreichtum der Individuen ein stabiles Ganzes ergibt, haben wir viel gewonnen.

Die Frage ist also, können wir wirklich von Wölfen lernen oder ist es eher ein Zurückbesinnen auf das, was hier und da in Vergessenheit geraten ist? Indem wir uns in ihrem Verhalten und ihrem sozialen Gefüge wiederfinden, erinnern sie uns daran, dass ihre Fähigkeiten auch unsere sind. Wir haben sie nur teilweise vergessen oder verdrängt, um uns dem Fortschritt des menschlichen Alltages anzupassen. Psychologen und Verhaltensforscher glauben, dass die Beobachtung der Wölfe uns helfen kann, diese Strukturen neu in uns zu entdecken und wieder zu integrieren, denn aus einer inneren Stabilität und Sicherheit heraus lassen sich alle Anforderungen des Lebens meistern. Lassen wir also einfach den Wolf in uns frei!


Melanie RoloffMelanie Roloff ist dreifache Mutter, Ehefrau und Tierbesitzerin. Als leidenschaftliche Yogalehrerin und Hobbyautorin inspiriert sie Menschen mit ihren Geschichten. Gemeinsam mit ihrer Familie und ihren zwei Hunden Phaléne Lilly und Chihuahua Sammy, lebt sie in Bayern.


 

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