Meerschweinchen beschäftigen Senioren in Zeiten von Corona

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Meerschweinchen beschäftigen Senioren

Meine Schwiegermutti lebt mit uns zusammen. Nicht im selben Haus, aber auf demselben Grundstück. Sie ist vor zwei Jahren aus dem Norden zu uns ins gemütliche Oberfranken gezogen und hier nochmal richtig aufgeblüht. Weil sie endlich nicht mehr allein ist nach dem Tod meines Schwiegervaters. Weil sie sich hier bei uns nützlich machen kann und uns im Alltag enorm entlastet. Im Gegenzug weiß sie, dass immer jemand für sie da ist. Sie ist 85 Jahre alt. Wir sehen uns täglich. In letzter Zeit eher mit Abstand, und seit einer Woche nur von Fenster zu Fenster, denn unsere Tochter ist ein wenig erkältet. Sorgen macht sich die Oma zwar keine, denn sie sagt „Ich habe schon Schlimmeres überlebt“. Trotzdem möchte ich verantwortungsbewusst handeln. So wie unserer Oma, geht es vielen Senioren. Sie sind in Zeiten von Corona viel allein. Doch wie vereinsamen Senioren in dieser schweren Zeit nicht?

Freundschaftstyp-Check

Senioren brauchen eine sinnvolle Aufgabe

Gerade, als wir beschlossen, uns von Oma für eine ganze Weile zu isolieren, kam ein Anruf von den Nachbarn. Sie fragten, ob wir deren Meerschweinchen füttern könnten, da sie sich gerne in ihr Wochenendhaus zurückziehen würden, weg von Corona und all den Nachrichten darüber. Wir empfanden das als glückliche Fügung, denn das ist eine Aufgabe, die unsere Oma gut und gerne übernehmen kann. Als wir das unseren Nachbarn vorschlugen, waren sie begeistert, und riefen meine Schwiegermutter direkt an. Wie sie sich gefreut hat! Von nun an läuft sie jeden Tag rüber in Nachbars Garten. Die fünfköpfige Meeriefamilie ist auf deren überdachter Terrasse in einem isolierten Stall mit selbstgebautem Außengehege untergebracht. Mehrmals täglich sorgt sie dafür, dass die Meeries frisches Heu haben. Auch erste Löwenzahnblätter werden gepflückt, sowie frisches Gras und Gemüsereste aus der Küche. Einmal am Tag bekommen die Kleinen einen Obstsnack von ihr. Und bei unserem abendlichen Telefonat teilt sie mir mit, dass sie morgen den Bus nimmt, um ein paar Snacks für die Racker zu besorgen.

„Hoffentlich werden die nicht zu fett“, schießt es mir durch den Kopf, aber ich freue mich, dass sie eine so schöne Aufgabe hat, sich um die Tiere der Nachbarn zu kümmern. Das erleichtert ihr diese sonderbare Zeit, und ich denke mir inzwischen schon mal aus, wie wir uns bei den Nachbarn dafür entschuldigen, dass die Schweinchen auf Diät gesetzt werden müssen.

Meerschweinchen beschäftigen SeniorenHeute habe ich Oma wieder rüber laufen sehen, und vom offenen Fenster aus konnte ich hören, wie sie mit ihren neuen Freunden spricht. Sie kann sich ihre Namen nicht merken, es sind englische, also hat sie sich eigene ausgedacht. Erna und Hilde…. den Rest habe ich nicht verstanden. Paul war glaube ich auch dabei. Sie hat sich einen Gartenstuhl ans Gehege gezogen und erzählt den Tierchen Geschichten darüber, dass dies zwar eine schwierige Zeit ist, die aber auch vorübergehen wird. Und während sie ein paar Köttel zusammenfegt, redet sie von ihrem Umzug hierher, davon, wie sehr es ihr hier gefällt, aber auch, dass sie anfangs Angst davor hatte, ihr Haus und ihre Freunde zurückzulassen. Jetzt sei sie aber froh, bei ihrer Familie zu sein. Sie sagt ihnen:

Eure Familie kommt auch bald wieder, da braucht ihr euch keine Sorgen zu machen. Bis dahin passe ich gut auf euch auf.

Tiere sind gut für die Seele

Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich am Fenster stehe und lausche – aber ich kann nicht anders. Ich bin mal wieder fasziniert davon, wie gut Tiere unserer Seele tun. Und ich bin dankbar, weil mir gerade klar wird, dass die Oma mit den Meerschweinchen in bester Gesellschaft ist. Sie geht sicher doppelt und dreifach so oft hin wie eigentlich nötig wäre, aber was solls. Das Gequietsche hört sich ganz danach an, dass die Schweinchen sich auch jedes Mal freuen.

Unsere Oma hat viel erlebt. Sie hat schwere Zeiten durchgestanden und ihr Leben lang hart gearbeitet. Für ihre 85 Jahre ist sie sehr flexibel und kommt mit unserem täglichen Chaos erstaunlich gut zurecht. Schwierig wird es nur, wenn ihr die Aufgaben entzogen werden, die für sie längst Routine geworden sind. Dann fühlt sie sich schnell nutzlos und verliert ihre Energie. Besonders jetzt, wo ihre Seniorentreffen abgesagt sind, und ihr wöchentliches Kaffeetrinken mit einer neuen Bekannten auch nicht stattfindet.

Haustiere und Senioren bilden eine wertvolle Gemeinschaft

Meerschweinchen beschäftigen SeniorenIch glaube, dass besonders Senioren das Gefühl haben müssen, gebraucht zu werden. Und jetzt, wo wir uns von ihr abschotten müssen, brauchen die Meerschweinchen sie. Sie zaubern ihr ein Lächeln aufs Gesicht und halten sie nebenbei ziemlich auf Trab. Mir wird klar, warum es Seniorenheime gibt, die zum Beispiel Wellensittiche halten. Die ganz fortschrittlichen erlauben sogar die Haltung eines Tieres oder Besuche von Haustieren, weil man mittlerweile weiß, dass Tiere besonders den einsamen und dementen Senioren gut tun, und das Risiko einer Depression signifikant senken. Ich glaube, zwischen unserer Oma und den Meerschweinchen entsteht eine echte Freundschaft. Ich hoffe, sie darf sie auch noch besuchen, wenn unsere Nachbarn wieder da sind.

Corona bringt mich auf Ideen

Mal wieder löst die Corona-Krise in mir eine positive Gedankenkette aus. Ich male mir schon aus, wie ich die Oma in Zukunft noch besser einspannen kann, was die Betreuung unserer Hunde betrifft. Eine Freundin von mir findet das so toll, dass sie unsere Oma gleich als Urlaubsbetreuung für ihre Kaninchen angefragt hat. Vorausgesetzt, der Urlaub kann stattfinden. Wer weiß, vielleicht spricht es sich weiter rum.

Ich finde es eine gute Idee, die ältesten Mitglieder unserer Gesellschaft in die Betreuung und Pflege unserer Haustiere einzubinden. Vielleicht gibt es auch bei euch jemanden, dem ihr euer Tier anvertrauen könnt, oder vielleicht lebt jemand in eurer Nachbarschaft, der allein ist, und sich freuen würde, wenn er eure Tiere füttern oder einfach ein paar Minuten Zeit mit ihnen verbringen darf. Nähe schaffen in einer kontaktlosen Zeit!


Melanie RoloffMelanie Roloff ist dreifache Mutter, Ehefrau und Tierbesitzerin. Als leidenschaftliche Yogalehrerin und Hobbyautorin inspiriert sie Menschen mit ihren Geschichten. Gemeinsam mit ihrer Familie und ihren zwei Hunden Phaléne Lilly und Chihuahua Sammy, lebt sie in Bayern.


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Kommentare, Fragen und Antworten
  1. Ich finde es so schön, dass deine Oma durch die Pflege der Meerschweinchen eine Aufgabe für sich gefunden hat. Meine eigene Oma hat eine 24-Stunden-Pflege und dadurch ist sie zum Glück selten allein. Allerdings müssen wir ihr immer erklären, dass die Pfleger ihr nur helfen wollen.

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