Scheinträchtigkeit oder Scheinmutterschaft – was ist der Unterschied?
Da denkt man, die Hündin hat ihre Läufigkeit gut überstanden und alles wird wieder normal, aber oft ist die Zeit nach der Läufigkeit für viele Hundehalter anstrengender als die Läufigkeit an sich. Die Scheinträchtigkeit und eine folgende Scheinmutterschaft setzen bei vielen Hunden merklich ein. Das erkennen wir Hundehalter im ersten Schritt daran, dass sich die Hündin anders als sonst verhält. Die Scheinträchtigkeit bei Hündinnen kommt oft vor und wird unterschiedlich stark wahrgenommen. Es handelt sich dabei um eine „Pseudoschwangerschaft“, in der Hündinnen hormonell eine Trächtigkeit durchlaufen, obwohl es zu keiner Befruchtung gekommen ist.
Warum kommt es dazu?
Der Ursprung liegt im Erbe des Wolfes. Hat eine Wölfin geworfen, werden die Welpen von anderen Wölfinnen des gleichen Rudels, mit umsorgt. Sie produzieren sogar Milch und können die Wölfin bei der Aufzucht unterstützen. Das ist möglich, durch die hormonelle Umstellung, während der „Scheinträchtigkeit“. In der freien Natur von Wölfen findet der Prozess einmal im Jahr, bei Hündinnen rund zweimal Mal im Jahr statt.
Wann tritt die Scheinträchtigkeit ein?
Nach der Standhitze setzt die Scheinträchtigkeit ein. Dies ist möglich, weil die Gelbkörper auch nach dem Eisprung noch Progesteron abgeben. Progesteron ist dafür da, um im Körper einer Hündin eine Schwangerschaft aufrechtzuerhalten. Wie es in einer (Schein-)Schwangerschaft üblich ist, verändern sich die Hunde auch in ihrem Verhalten. Vielleicht ist dir aufgefallen, dass deine Hündin anhänglicher und verschmuster geworden ist. Das wäre für die Zeit völlig authentisch. Eine Scheinträchtigkeit dauert vom zeitlichen Ablauf auch so lange, wie eine echte Trächtigkeit, nämlich um die 63 Tage. Du siehst, die Natur hat es ganz geschickt eingefädelt und mit recht wenig Aufwand gibt es für die trächtige Hündin Unterstützung von vielen Seiten innerhalb der Familie.
Nach der Scheinträchtigkeit folgt die Scheinmutterschaft
Die Scheinmutterschaft setzt ca. 8 Wochen nach der Standhitze ein – also löst sie durch einen Hormonwechsel die Scheinträchtigkeit ab. Der hormonelle Unterschied ist, dass hinter einer Scheinträchtigkeit das Schwangerschaftshormon Progesteron und hinter einer Scheinmutterschaft das sogenannte Elternhormon Prolaktin steckt.
Somit stellst du als Hundehalter häufig fest, dass die Hündin Folgendes zeigt:
• Milch wird produziert
• Die Milchdrüsen schwellen an
• verstärkte Anhänglichkeit der Hündin
• „Nestbauinstinkt“ wird geweckt, vorwiegend an ruhigen Orten (Bett, Couch, Körbchen, …) durch Kratzen, Buddeln, usw.
• Ersatzwelpen werden gesucht, bemuttert, verschleppt und verteidigt
• Dauer im Durchschnitt: 2 bis 4 Wochen
Die Natur hat wieder einmal clever mitgedacht: Hündinnen besitzen einen saisonabhängigen Sexualzyklus. Dadurch wird gewährleistet, dass es zum selben Zeitpunkt genug Ammen und „Helfer am Nest“ gibt.
Benötigen Hündinnen tierärztliche Unterstützung in diesem Prozess?
Das Phänomen der Scheinträchtigkeit/ Scheinmutterschaft ist biologisch gesehen normal. Dennoch hängt eine Unterstützung von der Intensität ab. Im Normalfall ist nach einigen Wochen wieder alles vorbei und der Organismus stellt sich auf eine Zykluspause, den Anöstrus, ein.
Zeigt eine Hündin verstärkt Verhaltensweisen, wie oben beschrieben, kann zunächst damit begonnen werden, Stofftiere oder andere Gegenstände, die imaginär durch die Gegend getragen werden zu entfernen, um die Hündin im wahrsten Sinne auf andere Gedanken zu bringen. Das kann durch Aktivitäten, die der Hündin in der Zykluspause Spaß machen, erreicht werden.
Um sich abzusichern, dass die Belastung dieses Prozesses für die Hündin nicht zu hoch ist oder eine regelmäßige Scheinträchtigkeit mit übertrieben beschriebenen Verhaltensmustern auftritt, ist ein Tierarztbesuch von Vorteil.
Wann ist eine tierärztliche Behandlung unabwendbar?
Ein Tierarztbesuch sollte unbedingt wahrgenommen werden, wenn die Hündin Auffälligkeiten zeigt, wie zum Beispiel depressive Stimmungen, gesteigertes Aggressionsverhalten oder Wesensveränderungen, die deutlich von dem sonstigen Verhalten abweichen. Durch pflanzliche oder medikamentöse Unterstützung kann der Hündin aus der hormonellen Schleife geholfen werden, wenn es der Organismus aus eigener Kraft nicht schafft.
Also auch, wenn es sich um einen normalen Verlauf handelt, sind viele Hundehalter froh, Rücksprache mit einem neutralen Fachmann zu halten – allein schon, weil man selbst subjektiv ist und nur das Beste für seinen Hund möchte. Weiß man, dass der eigene Hund leidet, so kann eine neutrale Person eine große Hilfe sein – für dich und deinen Hund.
Kristina Ziemer-Falke ist zertifizierte Hundetrainerin und Verhaltensberaterin durch die Tierärztekammer Schleswig-Holstein und das Messerli Forschungsinstitut der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Darüber hinaus verfügt sie über viele Zusatzausbildungen und Schwerpunkte und ist im Prüfungsausschuss der Tierärztekammer Niedersachsen für die Hundetrainerzertifizierungen.
Mit ihrem Mann Jörg Ziemer gründete sie das Schulungszentrum Ziemer & Falke, in dem sie seit vielen Jahren mit viel Herz, Leidenschaft und Kompetenz Hundetrainer in ganz Deutschland ausbilden und viele Weiterbildungsangebote anbieten. Viele kennen Kristina außerdem als erfolgreiche Autorin von Fachbüchern für Hundetrainer und Hundehalter sowie aus Artikeln beliebter Hundezeitschriften.