So leben Streunerkatzen
Mit gespitzten Ohren und großen Augen huscht die Katze Blacky zu ihrem Futterplatz unter dem geparkten Wohnwagen. Hier werden sechs Streuner seit ihrer Geburt gefüttert. Die mittlerweile circa 12 Jahre alten Katzen sind die Kinder einer unkastrierten Freigängerkatze. Sie sind im Freien geboren: echte Streuner, die sich nur schwer an die Gegenwart von Menschen gewöhnen. Auch heute sind die Fellnasen misstrauisch. Sobald wir ihnen zu nahe kommen, suchen sie das Weite. Nur die weiß-gestromte Lilly duldet unsere Anwesenheit, wirft uns aber während sie frisst immer wieder argwöhnische Blicke zu. Gut, dass die ehrenamtlichen Helfer sich um die Streunerkatzen kümmern. Aber woher kommen die vielen Streunerkatzen eigentlich? Und was können wir tun, um ihnen zu helfen? Der Katzenschutzbund hat unsere Fragen beantwortet.
Interview mit dem Katzenschutzbund
Wie kommt es, dass es in Deutschland so viele Streunerkatzen gibt?
Katzenschutzbund: Streunerkatzen sind verwilderte Hauskatzen oder stammen von ihnen ab. Es hat sich also immer ein Mensch schuldig gemacht. Sie fallen ja nicht vom Himmel. Entweder werden die Katzen nicht rechtzeitig kastriert und reißen dann aus, oder sie werden von ihren Besitzern ausgesetzt, weil sie lästig, krank oder trächtig sind. Draußen werfen sie dann ihre Junge, wenn sie überleben, und vermehren sich weiter.
Welchen Gefahren sind die Streuner ausgesetzt? Worunter leiden sie?
Katzenschutzbund: Sie leiden darunter, dass sie kein Dach über dem Kopf haben. Vor allem im Winter machen ihnen die Kälte und die Nässe zu schaffen. Wenn sie frieren, krabbeln sie oft in die Autos, in den Motorraum oder setzen sich auf die Reifen. Da sind die geschützt. Wenn der Motor angelassen wird, kommt es oft zu schweren Verletzungen.
Auch der Hunger ist ein großes Problem. Durch die Unterversorgung kommt es zu Erkrankungen, durch die die Tiere noch hilfloser werden. Ohne menschliche Hilfe können sich Katzen im Freien nicht versorgen.
Wie war das mit den Katzen von der Futterstelle, die wir heute besuchen?
Diese Geschichte ist bestimmt kein Einzelfall, oder?
Katzenschutzbund: Leider nein. Die Tierheime und der Katzenschutzbund haben Pflegestellen, aber wir können die Tiere ja nicht stapeln. Es sind Hunderte. Durch die über 40-jährige Tätigkeit des Katzenschutzbundes haben wir zwar viel erreicht, wir haben viel Aufklärungsarbeit geleistet, aber wir wundern uns, dass nach so vielen Jahren immer noch Tiere im Freien geboren werden und dann verwildern. Und wir kriegen es nicht in den Griff. Die Tiere, die wir dann weitergeben, sind zwar kastriert, aber es reißt nicht ab. Wir werden bis heute immer wieder angerufen: hier ist ein Wurf, dort ist ein Wurf. Und wenn der Anruf eben zu spät kommt, die Tiere in den ersten Wochen keinen menschlichen Kontakt haben, dann ist es schwierig sie zahm zu kriegen.
Wie und bis zu welchem Alter lassen sich Streuner zähmen?
Katzenschutzbund: In der Regel bis zur achten Lebenswoche. In seltenen Ausnahmen auch bis zu einem Alter von zwei Jahren. Zwar werden auch ältere Tiere mit der Zeit zutraulicher, aber erst einmal haben sie ja Angst vor den Menschen. Sie können nur mit Lebendfalle gefangen und mit Handschuhen angefasst werden. In den Pflegestellen versuchen wir, sie zu zähmen und an Menschen zu gewöhnen. Das ist ein langwieriger Prozess, bei dem es viel Geduld braucht. Manchmal ist es frustrierend. Wir sind mehrere Stunden am Tag mit den Katzen beschäftigt. Erst einmal, um alles sauber zu machen und sie zu füttern. Und dann versuchen wir, dass sie aus der Hand fressen. Das ist der erste Schritt, damit sie merken, dass der Mensch nicht böse ist. Wir spielen mit ihnen und verbringen Zeit mit ihnen. Doch eh man das Vertrauen der Katzen hat, das dauert lange. Die haben viel miterlebt.
Welche Probleme gibt es bei der Vermittlung von ehemaligen Streunerkatzen?
Katzenschutzbund: Streuner sind sehr schwer irgendwo sesshaft zu machen. Häufig versuchen sie wieder in ihr altes Gebiet zu kommen. Die Tiere, die wir kastrieren lassen, werden auch alle gekennzeichnet. Früher durch eine Tätowierung, heute durch den Chip. Aber es passiert immer wieder, dass die Tiere weglaufen.
Die Tiere, die nicht zähmbar und vermittelbar sind, setzen Sie nach der Kastration wieder aus und versorgen sie an den Futterstellen. Wie genau läuft die Fütterung ab?
Katzenschutzbund: Es ist viel Arbeit. Bei jedem Wetter müssen wir morgens früh raus und die Katzen füttern. Jeden Tag. Aber es ist sehr beglückend, wenn wir zu den Futterstellen kommen und die Katzen uns schon entgegen laufen. Die warten jeden Tag auf uns. Das ist sehr wichtig: Die Tiere, die man kastriert an die Futterstelle zurückbringt, müssen unbedingt weiter versorgt werden. Die meisten Leute denken, eine Katze, die draußen lebt, kann sich selbst versorgen. Kann sie nicht. Es gibt kaum noch Mäuse, es gibt kaum noch Ratten, oder sie sind vergiftet und die Katze stirbt daran.
Welche Probleme gibt es bei der Versorgung der Streunerkatzen?
Was können Tierfreunde tun, um den Streunerkatzen zu helfen?
Katzenschutzbund: Eine große Hilfe sind Futter- und Geldspenden an Tierschutzvereine. Selbst in einem solchen Verein tätig zu werden und die Helfer zu unterstützen wäre natürlich ideal.
Ansonsten ist es immer gut, die Augen offen zu halten, statt wegzusehen. Wer einen Streuner in seiner Nachbarschaft findet, sollte diesen umgehend dem Tierheim oder dem Tierschutz melden. Die können sich dann weiter kümmern. Man kann auch Behausungen für die Katzen aufstellen. Die haben bestenfalls ein Dach und ein kleines Einstiegsloch. Sie sollten gegen die Nässe mit Stroh ausgelegt sein und am besten mit Styroporplatten isoliert werden. Wer sich entscheidet, die Katzen selbst zu füttern, sollte bedenken, dass dies eine langwierige Aufgabe ist, der konsequent nachgegangen werden muss. Denn verlassen sich die Katzen erst einmal auf die Fütterung, darf natürlich nicht einfach damit aufgehört werden. Hier besteht außerdem die Gefahr, dass es eigentlich nur die Nachbarskatze ist, die man anfüttert.
Woran lassen sich denn Streuner von anderen Freigängerkatzen unterscheiden?
Katzenschutzbund: Das ist nicht einfach. Ein zahmes Tier, das häufiger kommt, darf nicht angefüttert werden. Es könnte jemandem gehören. Wenn man eine Katze immer wieder an der gleichen Stelle sieht, dann könnte man in der Nachbarschaft fragen, wem sie gehört. Kennt niemand das Tier, muss man den Katzenschutzbund oder das Tierheim anrufen. Das ist die einzige Möglichkeit. Oder wenn man sieht, dass Katzen krank oder abgemagert sind, dann sollte man sich darum kümmern. Immer den Katzenschutzbund oder das Tierheim anrufen, damit sie zum Tierarzt gebracht werden können. Selber einfangen ist fast unmöglich. Auch ein kleines Kätzchen oder ein Muttertier mit Kitten sind wahrscheinlich Streuner. Denn kleine Katzen haben draußen nichts verloren. Sie können im Freien gar nicht überleben. Das sollte schnellstmöglich dem Tierschutz gemeldet werden, solange es noch eine Chance gibt, die Kätzchen an die Nähe von Menschen zu gewöhnen.
Wenn ihr den Katzenschutzbund Essen unterstützen wollt, könnt ihr hier mehr erfahren.