Strafe muss sein? – Strafe lass sein!

Im Alltag mit deiner Katze wird es immer wieder Situationen geben, in denen sie etwas tut, was du nicht möchtest. Eine mögliche Reaktion darauf wäre es, sie durch Strafe dazu bewegen zu wollen, dieses Verhalten jetzt und künftig zu unterlassen. Das war für lange Zeit ein üblicher Weg. Im modernen Tiertraining werden Strafen allerdings aus gutem Grund vermieden. In diesem Artikel wirst du lernen, warum du dir sehr gut überlegen solltest, ob du deiner Katze gegenüber Strafen einsetzen möchtest.

Was ist überhaupt eine Strafe?

Nach der Lerntheorie spricht man nur dann von „Strafe“, wenn ein Reiz die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Verhaltens verringert. Einfacher ausgedrückt: Wenn deine Reaktion auf ein Verhalten deiner Katze dazu führt, dass sie dieses Verhalten anschließend seltener oder gar nicht mehr zeigt, dann hast du dieses Verhalten gestraft. Deine Katze zeigt das Verhalten dann nicht mehr, weil sie die negativen Konsequenzen fürchtet. Man straft also kein Lebewesen, sondern ein bestimmtes Verhalten.

Es gibt zwei unterschiedliche Arten von Konsequenzen bei Strafen:

Wann funktionieren Strafen?

Tatsächlich funktioniert es in der Praxis viel seltener als gedacht, das Verhalten einer Katze langfristig und zuverlässig durch eine Strafe zu beeinflussen. Das liegt daran, dass für eine „erfolgreiche Strafe“ vier Kriterien erfüllt sein müssen:

Sind diese Punkte nicht alle erfüllt, dann müsste man von einem „Strafversuch“ sprechen.

Was passiert beim Strafen?

Deine Katze wird ein unerwünschtes Verhalten einstellen, wenn sie deine Strafe als unangenehm empfindet. Wir Menschen müssen uns jedoch klar machen, dass das natürlich genau deshalb funktioniert, weil eine Strafe schlechte Gefühle auslöst. Besteht die Strafe darin, dass etwas Angenehmes beendet wird, dann wird sich deine Katze frustriert, enttäuscht oder wütend fühlen. Wenn ihr als Strafe Sozialkontakt oder der Zugang zum Haus oder zu Futter verwehrt wird, könnte das zu Verunsicherung oder Angst führen. Wird als Strafe etwas Unangenehmes zugefügt, dann löst das in der Regel Unsicherheit, Angst, Schreck, Frustration und/oder Wut aus.

Was passiert beim Strafen nicht?

Wenn deine Katze etwas tut, dann steckt immer ein Bedürfnis dahinter:

Wenn du sie nun strafst, dann hört sie vielleicht mit dem aktuellen Verhalten auf – aber das hinter dem Verhalten stehende Bedürfnis löst sich nicht in Luft auf.

Das kann dazu führen, dass deine Katze auf andere Art versucht, ihr Bedürfnis zu stillen. Oder sie gerät in einen Konflikt: Auf der einen Seite empfindet sie sehr stark ihr Bedürfnis, auf der anderen Seite fürchtet sie die Konsequenzen, wenn sie versucht, für sich zu sorgen.

Beim Strafen bleiben also die Bedürfnisse hinter der Verhaltensweise unbeachtet – und damit auch die eigentliche Ursache des Verhaltens.

Mögliche Nebenwirkungen von Strafen

Konflikte und negative Gefühle wie z.B. Frustration, Angst oder Ärger gehören zu den häufigsten Auslösern von Verhaltensproblemen, wie etwa Harnmarkieren oder Aggressionen zwischen zusammenlebenden Katzen. Oft genug nutzen Katzen andere Katzen als Blitzableiter für den Frust, den sie mit uns erleben. Wird eine Katze ängstlich oder wütend aufgrund von Strafe, kann daraus schlimmstenfalls defensives aggressives Verhalten gegen uns als Gegenreaktion entstehen.

Für dich vielleicht auch schlimm: Deine Katze kann Angst vor dir entwickeln. Sie erlebt ja, dass du ihr das Unangenehme bescherst. Wenn du dabei die Kriterien für Strafe nicht erfüllst, kommt dieses Unangenehme aus Sicht deiner Katze vollkommen willkürlich. Für uns Menschen ist es außerdem unheimlich schwer einzuschätzen, was eine Katze wie empfinden wird. Bei ohnehin ängstlichen oder scheuen Katzen sollten Strafen definitiv ein Tabu sein, wenn du ihr Vertrauen nicht verspielen willst.

Aber auch bei selbstbewussten Katzen und mit vermeintlich harmlosen Strafen kann man sich schwer vertun. Dazu möchte ich ein persönliches Erlebnis berichten: Ich habe vor vielen Jahren in einem Tierheim ehrenamtlich Katzen bespielt und mit ihnen geclickert. Einer „meiner“ Kater war Don, ein mutiger, selbstsicherer Kater, der dazu neigte, plötzlich in meine Hand zu krallen – ich habe erst später gelernt, dass das gar nicht plötzlich war, sondern immer dann, wenn ich seinen unteren Rücken berührte, was sehr viele Katze unangenehm finden. Jedenfalls bin ich eines Tages, als er mich wieder schwer erwischt hatte, dem oft gegebenen Ratschlag gefolgt, ihn als Strafe anzupusten: ich habe ihm ein einziges Mal sehr leicht ins Gesicht gepustet. Das Ergebnis: Don ist nie wieder dichter als auf weit ausgestreckte Armeslänge an mich herangekommen.

Offenkundig war die gewählte Strafe Anpusten für Don hocheffektiv. Allerdings hat er sie nicht mit seinem aggressiven Verhalten verknüpft, wie von mir geplant. Er hat sie mit der Annäherung an mich verknüpft und dieses Verhalten künftig zuverlässig nicht mehr gezeigt.

Das Anpusten wird oft als harmlose Strafe empfohlen, bei der man vermeintlich Katzenverhalten imitiert (Fauchen) und sich deshalb gut verständlich macht. Was dabei völlig vergessen wird: Wir sind keine Katzen. Wir sind Menschen und damit um ein Vielfaches größer als eine Katze. Wenn wir das gleiche tun, können wir dabei wesentlich bedrohlicher wirken als ein Artgenosse.

Unterbrecher

„Aber was kann ich denn tun, wenn meine Katze etwas tut, was sie nicht soll?“ In diesem Notfall kannst du versuchen, einen neutralen Unterbrecher einzusetzen. Das bedeutet, du sorgst für eine Ablenkung, die deine Katze von ihrem aktuellen Tun abbringt, ohne sie zu erschrecken oder unangenehme Gefühle auszulösen. Das kann etwas sein, womit du die Aufmerksamkeit deiner Katze auf dich lenkst, weil du etwas Ungewöhnliches oder Spannendes machst oder erscheinen lässt:

In jedem Fall solltest du deine Katze nach der erfolgreichen Ablenkung etwas länger beschäftigen, damit sie das unerwünschte Verhalten nicht sofort wieder aufnimmt.

Ausblick

Natürlich kannst du deiner Katze Regeln beibringen. Das geht auch ohne Strafen. In dem Artikel „So macht Katzenerziehung Spaß“ kannst du nachlesen, wie du ihr Wunschverhalten beibringen kannst. Und in dem Beitrag  „Verhaltensanalyse als Basis für deine Katzenerziehung“ bekommst du einen Einblick, wie du das Verhalten deiner Katze analysieren und dem unerwünschten Verhalten dann vorbeugst.


Christine Hauschild lebt mit ihrem Kater in Hamburg. Sie betreibt dort seit über 10 Jahren die Katzenschule Happy Miez und berät Halter in allen Fragen rund um das (Problem-)Verhalten ihrer Katzen. Zusätzlich zu ihrer Arbeit als Katzenverhaltensberaterin bietet sie Seminare und Fortbildungen an. Außerdem ist sie Verfasserin mehrerer Katzenratgeber.