Die Gefahr des Mobbings
Was auf den ersten Blick wie ein Spiel unter Hunden aussieht, kann alles andere als lustig sein. Denn wenn ein Hund von einem oder mehreren anderen immer wieder gerempelt, unterworfen, gezwickt und gejagt wird, dann lernt er hierbei kein gesundes Sozialverhalten, sondern er lernt nur,
- dass andere Hunde für ihn eine Gefahr darstellen. Das kann dazu führen, dass er sich in Gegenwart von Artgenossen immer unwohler fühlt. Und das zeigt er durch weitere Unsicherheit und Angst – was ihn wiederum zu einem beliebten „Opfer“ macht. So wird er immer öfter die Erfahrung machen, dass Hundebegegnungen Stress für ihn bedeuten.
- dass andere Hunde erst dann von ihm ablassen, wenn er sich richtig wehrt. Werden die feinen Abbruchsignale des Hundes von dem oder den anderen nicht verstanden, dann bedeutet das, dass er deutlicher werden muss. Er muss stärker drohen, stärker zurückrempeln oder stärker zwicken. Der Gemobbte lernt, immer aggressiver zu reagieren – und aus dem vermeintlichen Spiel wird Ernst.
„Das regeln die schon unter sich …“
Sicher kennst du diesen Spruch und vielleicht bist du selber der Ansicht, dass man sich in Hundestreitereien gar nicht einmischen sollte. Aber wir bestimmen doch das ganze Leben unseres Hundes. Wir sagen, was er fressen darf, wann er pinkeln darf, ob er sich fortpflanzen darf, was er lernen soll – und plötzlich meinen wir, dass wir der Natur ihren freien Lauf lassen und die Hunde eigenverantwortlich handeln sollen? Wir erwarten von unseren Hunden Vertrauen und Gehorsam, doch geben in so einem Moment plötzlich die Kontrolle und Verantwortung ab? Das macht keinen Sinn.
Ein Beispiel: Hunde sollen miteinander kommunizieren und spielen können und dabei darf es auch schon einmal grob zugehen. Doch wenn eine Hündin schon zehnmal einen unverschämt aufreitenden Rüden deutlich weggeschickt hat, welche Möglichkeit bleibt ihr dann noch, wenn der andere einfach nicht angemessen reagiert? Sie muss nun überdeutlich werden – und verletzt dabei den anderen. Und was meinst du, welcher Hund dann als verhaltensauffällig gilt? Der Rüde, der seine Grenzen nicht kennt, oder die Hündin, die so deutlich werden musste?
In so einer Situation hat der Stärkere Freude am Mobben gelernt und erfahren, dass man sich mit Rücksichtslosigkeit durchsetzen kann. Der Unterlegene muss erfahren, dass ein Spiel mit Artgenossen Schmerz bedeuten kann, und verhält sich dadurch möglicherweise selbst aggressiv. So wird bei beiden Hunden ein gesunder Umgang mit Artgenossen unmöglich gemacht.
Würden in solch einem Fall die Hundebesitzer rechtzeitig einschreiten,
- könnte der Rüde lernen, dass sein „Chef“ sein Verhalten nicht toleriert,
- und die Hündin wüsste, dass sie sich wiederum auf ihren Besitzer verlassen kann und dass sie nicht bis zum Äußersten gehen muss, um in Ruhe gelassen zu werden.
Daran erkennst Du, ob Hunde miteinander spielen
Besonders beliebt bei Hunden sind Jagdspiele: Dabei wird nebeneinander hergerannt, auch mal gerempelt, gezwickt und einer zu Boden geworfen.
Ob die wilde Jagd ein Spiel ist, erkennst du an folgenden Punkten:
- Es werden zwischendurch immer wieder die Rollen getauscht. Jeder rennt mal davon, jeder verfolgt mal den anderen. Auch beim Raufen ist jeder Mal der Unterlegene.
- Zwischendurch gibt es Verschnaufpausen. Ist einer der Hunde erschöpft, bleibt er kurz liegen, während ihn der andere in der Zeit in Ruhe lässt. Nach ein, zwei Minuten geht es weiter.
- Es gibt während des Spiels neue Spielaufforderungen. Das geschieht in der Regel durch die sogenannte Vorderkörper-Tiefstellung.
Achtung: Beim Spielen, vor allem bei Jagdspielen, schüttet der Körper des Hundes eine Menge Adrenalin aus – ähnlich wie bei einer „echten“ Jagd. Das kann bei manchen Hunden zur Folge haben, dass sie ihr Verhalten kaum noch kontrollieren können. Sind sie so aufgeputscht, hilft nur eine kurze Auszeit.
Schreite ein, wenn gemobbt wird
Mobbing-Opfer sind häufig Hunde, die beispielsweise in einer Gruppe fremd sind: „Alle auf den Neuen“ lautet dann die Devise. Auch ältere, kranke oder einfach sozial unsichere oder ängstliche Hunde werden schnell zum Opfer auserkoren.
Beobachte die Situation immer wieder und überzeuge dich davon, dass alle Hunde Spaß am Spiel haben. Egal, ob dein Hund der Täter oder das Opfer ist – in beiden Fällen solltest du einschreiten:
- Vergewissere dich während des Spiels, dass es sich noch um eben dieses handelt.
- Zeigt die Körpersprache eines Hundes, dass dieser sich unwohl fühlt: geduckte Haltung, Rute eingezogen, fiepen, flüchten, beißen?
- Sucht dein Hund bei dir Schutz, dann hilf ihm. Stelle dich vor ihn und tritt dem oder den anderen bestimmt entgegen.
- Wird er von den anderen nicht in deine Richtung gelassen, gehe zu ihm und hole ihn aus der Situation heraus.
- Ist dein Hund der Mobber, verordne ihm eine Auszeit. Hole ihn zu dir und lasse ihn erst wieder spielen, wenn du merkst, dass er sein Adrenalin ein wenig abgebaut hat. Dann schickst du ihn wieder zum Spiel.
- Übertreibt er es danach wieder, ist das Spiel beendet.
Hunde dürfen raufen, sie dürfen auch dem anderen deutlich die Meinung sagen, und es ist auch natürlich, dass es immer wieder einmal kurze Streitmomente gibt. Hier musst du nicht eingreifen, wenn du das Gefühl hast, dass die Situation nicht gefährlich wird.
Mobbing hingegen ist das dauerhafte Missachten der Kommunikationssignale eines Einzelnen. Lasse dich nicht von den anderen Hundebesitzern beirren. Wenn du ein Spiel, das außer Kontrolle gerät, unterbindest, bist du weder übervorsichtig noch ein Spielverderber. Sie zeigen vielmehr, dass du die Situation unter Kontrolle hast – und bist somit auch in den Augen deines Hundes, egal ob Mobber oder Opfer, ein guter Rudelchef.
Begegnung mit anderen Hunden – alles unter Kontrolle
✔ Sei bei Hundespielen aufmerksam.
✔ Prüfe, ob alle Hunde einen zufriedenen Eindruck machen.
✔ Unterbinde Mobbing, auch ständiges Aufreiten etc.
✔ Hole Opfer oder Täter aus der Gruppe heraus.
✔ Erlaube ein weiteres Spiel erst, wenn sich die Hunde beruhigt haben.
Dieser Text wurde erstellt in Zusammenarbeit mit Regina Rademächers: