Hasenpest in Nordrhein-Westfalen

Nachdem in der vergangenen Woche die sogenannte Hasenpest in zwei Kreisen von Nordrhein-Westfalen bei Wildkaninchen festgestellt wurde und leider sehr schnell polarisierende bis panikmachende Artikel erschienen sind, möchte ich Dir hier erklären wie gefährlich es wirklich ist.

Zuerst: Was ist das überhaupt? Diese Hasenpest.

Ihr wissenschaftlicher Fachbegriff lautet Tularämie. Sie wird durch ein Bakterium namens Francisella tularensis ausgelöst, das erstmals in Tular (Arizona) nachgewiesen werden konnte. Umgangssprachlich wird sie jedoch ‚Hasenpest‘ genannt weil sie dem Krankheitsbild der Pest (primäre Eintrittswunde + Beteiligung der regionären Lymphknoten) ähnelt und bei betroffenen Tieren unbehandelt meist tödlich endet. Auch ist es tatsächlich möglich sich als Mensch zu infizieren und gar zu erkranken. Selbst daran sterben, kann man auch… ABER:

Die eingangs erwähnten Hysterie-Artikel sprechen davon, dass jeder dritte unbehandelte Mensch daran verstirbt. Das stimmt sogar!?!
Heutzutage bleibt aber niemand in Deutschland unbehandelt, der Symptome zeigt. Und gerade die in Europa hauptsächlich auftretende Variante Typ B ist nachweislich ungefährlicher als Typ A in den USA.

Wie kann man sich denn anstecken?

Die höchste Wahrscheinlichkeit ist bei direkten Kontakt mit infizierten Tieren (tot oder lebendig) gegeben – dies betrifft schon mal fast ausschließlich Jäger, die übrigens in den vergangenen Jahrzehnten beinahe ausnahmslos den Großteil aller in Deutschland Infizierten darstellten. Dabei gelangt der Erreger über kleine Hautwunden aus dem Tier in den menschlichen Körper.
Indirekt kann man sich aber auch über kontaminiertes Wasser, übertragende (blutsaugende) Insekten oder auch Zecken, Einatmen von erregerhaltigem Staub oder den Verzehr von nicht ausreichend erhitztem Kaninchenfleisch infizieren. Darüber hinaus können Hunde oder Katzen durchaus als indirekte Überträger auf uns Menschen fungieren. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch gilt nach aktuellem Wissensstand als äußerst unwahrscheinlich und wurde nicht beschrieben.

Welche Symptome können denn auf die Hasenpest hindeuten?

Wie der Name ‚Hasenpest‘ schon verrät sind hauptsächlich Hasenartige (Kaninchen/Hasen) und Nagetiere betroffen. Sie zeigen in aller Regel 2-3 Tage nach Infektion eher unspezifische Symptome wie Schwäche und dadurch fehlendes Fluchtverhalten sowie Fieber mit gesteigerter Atemfrequenz. Sie verenden meist 2-10 Tage später an einem Multiorganversagen mit Blutvergiftung. Sowohl Haushunde als auch Hauskatzen gelten hingegen als wenig empfänglich bis weitgehend resistent gegen dieses spezielle Bakterium. In Ausnahmefällen können sie vorübergehend Fieber, Schwäche, Inappetenz, Lymphknotenschwellung sowie Husten/Schnupfen zeigen. Die Prognose ist bei rechtzeitiger Behandlung gut. Beim Menschen kann die Tularämie bei Beteiligung der inneren Organe unbehandelt hingegen einen schweren Verlauf nehmen. Die mit 75-85% häufigste beim Menschen auftretende Form beschränkt auf die Haut und zeigt einen signifikant milderen Verlauf. Beide Formen können nach erfolgreichem Resistenztest mit vorangeganger Nachzüchtung gezielt mittels verschiedensten Antibiotika behandelt werden.

Rechtlich betrachtet handelt es sich bei der Tularämie um eine meldepflichtige Zoonose. Das bedeutet, dass die Erkrankung von Tier auf Mensch (und andersherum) übertragen werden kann. Hinzukommt, dass jeder Nachweis der Erkrankung (egal ob Erreger oder ‚bloß‘ spezifische Antikörper) dem zuständigen Amt zwecks Seuchenkontrolle zu melden ist.

Eine kurze Relativierung der aktuellen Nachweise:

Ja, die Hasenpest ist in Deutschland… aber mindestens seit Jahrzehnten. Jedes Jahr stecken sich in Deutschland zwischen 3 und 71 Menschen an – bei über 80 Millionen Einwohnern! Ich hoffe inständig, dass jedem Leser in der aktuellen Corona-Pandemie schnell auffällt wie schwindend gering die Chance ist von Francisella befallen zu werden.

Daher mein dennoch ernst gemeinter Rat, im eigenen Interesse:

Lass Deinen Hund nicht frei im Wald umherstreifen – es kann davon ausgegangen werden, dass Hunde zwar keine bis kaum Symptome als ‚Zwischenwirt‘ zeigen, aber trotzdem das Bakterium übertragen können. Neben der Tularämie kann man aber im Wald aktuell auch auf so manch übelgelaunte Wildschweinbache mit ihren Frischlingen stoßen, was ebenfalls schmerzhaft bis tödlich enden kann. Um eine eventuelle Übertragung durch kontaminierte Zecken auf Dein Tier zu verhindern sollten entsprechende Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden – Dein Haustierarzt berät Dich dazu gern.


Tierarzt Sebastian Goßmann-Jonigkeit ist seit 2012 praktizierender Tierarzt für Kleintiere in Engelskirchen bei Köln. Dort leitet er die Praxis gemeinsam mit seiner Frau. Sein Faible gilt der Zahnmedizin für Hunde und Katzen – daher fühlt er sich zwischen Dentalröntgen und Zahn-OP auch besonders wohl. In seiner Freizeit bloggt er auf Facebook und Instagram.